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Lesezeit – 8 Minuten
Zuletzt aktualisiert: 16 Juli, 2024

Wohin die Kirchensteuer wirklich fließt

Rund 13,3 Milliarden Euro haben die Kirchen im Jahr 2023 an Kirchensteuer eingenommen. Zusätzlich erhielten sie rund 600 Millionen Euro Staatsleistung aus den Haushalten der Bundesländer. Was machen die Kirchen in Deutschland eigentlich mit dem Geld?

Frank Baecke
Autor
Finanzfuchs
Geprüft von
Finanzfuchs-Redaktion

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben erhebt die Kirche von jedem Mitglied die Kirchensteuer.
  • Darüber hinaus erhält sie einen Staatszuschuss, wodurch auch alle nichtkonfessionellen Steuerzahler die Kirche mitfinanzieren.
  • Nur einen kleinen Teil der Einnahmen gibt die Kirche für wohltätige Zwecke aus, der größte Teil fließt in Personal und Verwaltung.
  • Die Kritik an der Kirchenfinanzierung schließt auch die Staatsleistung ein.

Schon seit der Urkirche dienen die Abgaben der Kirchenmitglieder und die Spenden von Dritten der Sicherstellung des Gottesdienstes, dem Unterhalt von Kirchenpersonal und Gebäuden sowie dem Dienst am Nächsten. Das ist heute nicht anders. Neben Spenden, Erbschaften, Kollekten und Zustiftungen finanzieren sich die Kirchen in Deutschland vor allem über die Kirchensteuer. Sie ist die wichtigste Einnahmequelle der Religionsgemeinschaften und wird von allen Mitgliedern erhoben. Ihre Höhe beträgt in Bayern und Baden-Württemberg je 8 Prozent der Einkommensteuer und in den übrigen Bundesländern je 9 Prozent.

Höhe der monatlichen Kirchensteuer 2024

EinkommenLedig:
Steuerklasse I /
Verheiratet:
Steuerklasse IV
Verheiratet:
Steuerklassen III
Verheiratet, 1 Kind:
Steuerklasse III / 1
Verheiratet, 2 Kinder:
Seuerklasse / 2
2.000 €10,24 €
3.000 €29,63 €6,16 €
4.000 €51,64 €22,82 €6,91 €
5.000 €76,28 €47,71 €23,80 €7,69 €
Beispiele für den Kirchensteuersatz von 9 Prozent (Bayern und Baden-Württemberg je 8 Prozent). Quelle: Statista. Stand: Mai 2024

Insgesamt vereinnahmten die Kirchen 2023 rund 13,3 Milliarden an Kirchensteuer. Das waren rund 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei entfielen rund 7 Milliarden Euro auf die katholische und rund 6,3 Milliarden Euro auf die evangelische Kirche. 

Auch Nichtmitglieder finanzieren die Kirchen

Darüber hinaus landeten 2023 rund 602 Millionen Euro an Staatsleistung in den Kirchenkassen. Das sind gut 4,5 Prozent der kirchlichen Gesamteinnahmen. Laut Statista Research soll der staatliche Zuschuss 2024 auf über 618 Millionen Euro steigen. 

Die Staatsleistung wird von den Bundesländern aufgebracht. Das Geld fließt noch immer als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter während der Säkularisation vor mehr als 200 Jahren. In Summe macht der staatliche Zuschuss an die Kirchen 2,5 bis 3 Prozent der Länderhaushalte aus. Damit wird auch jeder nichtkonfessionelle Steuerzahler zur Finanzierung der Kirchen herangezogen.

Die Staatsleistung steht seit langem in der Kritik, unter anderem, weil davon trotz hoher Kirchensteuereinnahmen teilweise die Gehälter der Bischöfe, Priester und Pfarrer bezahlt werden. Schon in der Weimarer Verfassung von 1919, aber auch im Grundgesetz von 1949 und in einigen Landesverfassungen ist die Ablösung der Staatsleistung durch eine einmalige Entschädigung als Auftrag formuliert. Doch umgesetzt wurde das Ablösegebot nie, weil die Entschädigung die Haushalte der Länder überfordern würde.

Wofür die Kirchen die Steuereinnahmen verwenden

Für welche Zwecke die Kirchen ihre Steuereinnahmen verwenden, darüber entscheiden sie selbst. Für die Aufstellung der Haushalte sind in der evangelischen Kirche die 20 Landeskirchen zuständig, in der katholischen Kirche die 27 Diözesen. In ihren Jahresberichten lässt sich nachlesen, wofür die Steuergelder ausgegeben wurden. Das unterscheidet sich zwar in den konkreten Zahlen, ist aber von den Gewichtungen her ähnlich.

Der kleinste Anteil in Höhe von 2 bis 3 Prozent entfällt demnach auf Zahlungen an den Staat, nämlich dafür, dass die Finanzämter die Kirchensteuer einziehen und an die Bistümer und Landeskirchen weiterreichen. Der größte Anteil der Kirchensteuer wird jedoch nicht, wie anzunehmen wäre, für wohltätige Zwecke verwendet, sondern für Personalausgaben, sprich für Pfarrer, Pastoren, Referenten und Musiker in den Kirchgemeinden sowie für Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen, Medien und Verwaltungen.

Folgende Beispiele zeigen die Gewichtung der Kirchensteuer-Verwendung:

  • Die Evangelische Landeskirche in Baden gibt von 100 Euro Kirchensteuer 38 Euro für Personal in Gottesdienst und Seelsorge aus sowie 10 Euro für Leitung und Verwaltung. Lediglich 7 Euro entfallen auf Diakoniestationen, Altenheime und Krankenhäuser sowie 2 Euro auf Krankenhaus- und Altenheim-Seelsorge, Beratung sowie Telefon- und Notfallseelsorge.

  • Das Erzbistum Berlin hat im Haushaltsplan 2024 von 100 Euro Kirchensteuer 27,60 für Pfarrseelsorge und 24,30 Euro für die Bistumsverwaltung vorgesehen, aber nur 10 Euro für Jugend-, Erwachsenen-, Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge und 4,20 Euro für Kindertagesstätten.

  • Die Evangelische Kirchgemeinde der Großen Kreisstadt Remseck am Neckar, nordöstlich von Stuttgart gelegen, verwendet 36 von 100 Euro Kirchensteuer für das Gottesdienst- und Seelsorge-Personal, 12 Euro für Leitung und Verwaltung und gerade einmal sechs Euro für Diakonie.

  • Im Erzbistum Köln entfielen 2022 von 100 Euro Kirchensteuer 37,72 Euro auf Personal, Seelsorge und Gebäudebewirtschaftung in den Kirchgemeinden, aber lediglich 10 Euro auf Kitas und Schulen sowie 5,80 Euro auf die Caritas.

Wenig Geld für Wohltätigkeit

Zweifelsohne zählen Gottesdienste, Seelsorge und Lebensbegleitung zu den Kernaufgaben der Kirche. Dass hierfür Geld aus der Kirchensteuer verwendet wird, ist selbstverständlich und dürfte von jedem Kirchenmitglied erwartet werden. Dennoch fällt in der Gesamtbetrachtung auf, dass im Vergleich dazu nur ein kleiner Teil der Kirchensteuer für soziale und wohltätige Zwecke verwendet wird. Etwa für Kitas und Diakonie, für die Betreuung von Behinderten und Straftätern oder auch für die Unterstützung von Hilfswerken und Wohltätigkeitsorganisationen.

Die Caritas zum Beispiel, der Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirchen in Deutschland, finanziert sich überwiegend aus öffentlichen Mitteln. Im Jahr 2022 erhielt der Deutsche Caritasverband rund 108,3 Millionen Euro vom Bund und von der EU. Die Bistümer steuerten gerade ein Zehntel dieser Summe bei, nämlich 10,7 Millionen Euro.

Auch die Diakonie, der soziale Dienst der evangelischen Kirchen, finanziert sich über öffentliche Zuschüsse, wenn auch nicht so stark wie die Caritas. 4,5 Millionen Euro erhielt  das Werk Diakonie Deutschland laut Geschäftsbericht 2022 vom Bundesfamilienministerium. Die EKD steuerte aus kirchlichen Mitteln 7,6 Millionen Euro bei.

Dass die Arbeit der Kirchen im sozialen und karitativen Bereich aus öffentlichen Kassen mitfinanziert wird, hat allerdings auch den Hintergrund, dass der Staat selbst nicht genügend Angebote bereitstellt. Mit seinen Zuschüssen erstattet er den Kirchen gewissermaßen deren Aufwendungen für Kindergartenarbeit, Bildung, Altenbetreuung, ambulante Krankenpflege und vieles mehr. Die Kirchen wiederum rechtfertigen den Erhalt staatlicher Zuschüsse mit dem Argument, dass sie durch ihre soziale und karitative Arbeit die öffentlichen Haushalte erheblich entlasten.

Mehrheit findet Kirchensteuer nicht mehr zeitgemäß

Eigentlich müsste die Kirchensteuer wegen ihrer Verwendung für Seelsorge, Altenpflege, Lebensbegleitung, Kindergärten und so weiter ein positives Image haben. Trotzdem halten laut einer YouGov-Studie 74 Prozent der Befragten die Kirchensteuer für nicht mehr zeitgemäß. Nur 13 Prozent sehen das anders. Weitere 13 Prozent antworteten mit „Weiß nicht“ oder machten keine Angaben. Zwar bewerteten 61 Prozent der Befragten die karitative Arbeit der Kirchen als wichtig oder sehr wichtig. Doch gleichzeitig, so die Studie, fragten sich immer mehr Menschen, warum sie ein Leben lang für eine Institution zahlen sollen, deren Leistungen, Angebote und Einrichtungen sie ohnehin kaum nutzten.

Laut der YouGov-Studie ist die Kirchensteuer nach dem Missbrauchsskandal der zweithäufigste Grund für den Austritt aus der Kirche. Katholiken sparen dadurch im Durchschnitt 291 Euro im Jahr, Protestanten 278 Euro, errechnete das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Doch ein Kirchenaustritt hat noch andere Folgen als die Steuerbefreiung. Man kann kein Taufpate mehr werden, keine Kommunion mehr empfangen, nicht kirchlich heiraten, bei keinem kirchlichen Träger arbeiten und auch nicht kirchlich beerdigt werden.

Doch das hält immer weniger Kirchenmitglieder vom Austritt ab. 2021 verließen 360.000 Mitglieder die katholische Kirche, 2022 sogar mehr als 522.000. Die evangelische Kirche verlor 2021 und 2022 jeweils 380.000 Anhänger. Das waren Mitgliederabgänge in Rekordhöhe. Nach einer Umfrage des Norddeutschen Rundfunks (NDR) könnte der Mitgliederschwund weitergehen: Gut ein Viertel der Befragten denke über einen Kirchenaustritt nach, knapp 60 Prozent davon auch wegen der Kirchensteuer.

Einnahmen der Kirchen sinken

Die Finanzierungsgrundlage der Kirchen erodiert nicht nur durch Austritte. Hinzu kommen Sterbefälle – 2023 allein 340.000 bei der evangelischen Kirche und 240.000 bei der katholischen Kirche. Zugleich erreichen immer mehr Gläubige aus den geburtenstarken Babyboomer-Jahrgängen das Rentenalter und zahlen dann weniger oder gar keine Kirchensteuer mehr.

Für weitere Einnahmeverluste sorgt die Inflation. Obwohl die Kirchen 2023 anderthalb Prozent mehr Kirchensteuer eingenommen haben als im Vorjahr, bleiben ihnen kaufkraftbereinigt 5 Prozent weniger als 2022. Das ergab eine Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Die Schere zwischen nominalen und realen Kirchensteuereinnahmen wird laut IW in den kommenden Jahren weiter auseinandergehen. IW-Finanzexperte Tobias Hentze prognostiziert: „Die Kirchenfinanzen werden keine rosigen Zeiten mehr sehen.“

Die Inflation frisst die steigenden Kirchensteuereinnahmen auf.
Quelle: IW, Dezember 2023.

Idee einer Mandatssteuer als Alternative

Schon lange wird über neue Konzepte für die Kirchenfinanzierung nachgedacht. Eine viel diskutierte Idee ist die Umgestaltung der Kirchensteuer in eine Mandatssteuer, auch Kultursteuer genannt. Sie soll nicht nur den Religionsgemeinschaften, sondern auch zivilgesellschaftlichen Organisationen zugutekommen. Diese Art der Gemeinwohlfinanzierung praktizieren in Varianten bereits Italien, Spanien, Ungarn und Island. Statt nur von den Gläubigen wird von allen Bürgern ein kleiner Teil der Einkommensteuer für das Gemeinwohl einbehalten. In Italien sind das zum Beispiel 0,8 Prozent.

Direkt übertragbar auf Deutschland ist das Modell aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Aber ein Ansatz, die Kirchenfinanzierung zusammen mit anderen Maßnahmen zu sichern, ist es schon. Die Ideen reichen hierbei von eigenen Kirchensteuerämtern über ein flexibleres Besteuerungssystem, das zum Beispiel private Spenden bei der Kirchensteuer berücksichtigt oder Ausnahmen für Berufseinsteiger vorsieht, bis hin zu individualisierten Formen der Mitgliedschaft für eine höhere Mitgliederbindung.

Die Kirchensteuer wird somit höchstwahrscheinlich bleiben. Ihre Ausgestaltung und Umsetzung könnte jedoch – man möchte fast sagen: So Gott will – über kurz oder lang reformiert werden.

Vorteile und Nachteile eines Kirchenaustritts

Vorteile eines Kirchenaustritts

  • Steuern sparen

    Wer aus der Kirche austritt, ist nicht mehr kirchensteuerpflichtig.

  • Einfluss nehmen

    Umstrittenes Handeln der Kirche wird nicht länger mit eigenem Geld unterstützt.

Nachteile eines Kirchenaustritts

  • Keine Kindstaufe

    Ausgetretene können weder ihre Kinder taufen lassen, noch Taufpate werden.

  • Keine Zeremonien

    Wer austritt, muss auf kirchliche Hochzeiten und Beerdigungen verzichten.

  • Möglicher Jobverlust

    Kirchliche Arbeitgeber können ausgetretenen Angestellten kündigen.

  • Schlechtere Berufschancen

    Ohne Kirchenmitgliedschaft kein Job bei kirchlichen Trägern.

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Häufig gestellte Fragen zum Commerzbank Geschäftskonto

Wer muss Kirchensteuer zahlen?

Kirchensteuer muss zahlen, wer seinen Hauptwohnsitz in Deutschland hat, einer der staatlich anerkannten Kirchen angehört und ein Einkommen bezieht, das den Steuerfreibetrag überschreitet (10.908 Euro für 2023, 11.604 Euro für 2024). Wer weniger verdient, arbeitslos ist oder Sozialhilfe erhält, zahlt keine Kirchensteuer.

Wer muss keine Kirchensteuer zahlen?

Nicht-Erwerbstätige, Rentner und Arbeitslose zahlen in der Regel keine Kirchensteuer. Als Kirchenmitglieder können sie trotzdem alle Leistungen der Kirchen in Anspruch nehmen. Gläubige Studierende, die zum Beispiel als Werkstudenten Geld verdienen, müssen nur bei Überschreiten des Steuerfreibetrags (10.908 Euro für 2023, 11.604 Euro für 2024) Kirchensteuer zahlen.

Kann man sich die Kirchensteuer zurückholen?

Ja. Über die Einkommensteuererklärung können sich Kirchenmitglieder die gezahlte Kirchensteuer zurückholen, denn sie ist unbeschränkt als Sonderausgabe abzugsfähig. Kirchensteuer-Erstattungen werden in der Regel mit der gezahlten Kirchensteuer im Jahr der Erstattung verrechnet.

Wie erfahren Finanzamt und Arbeitgeber vom Kirchenaustritt?

Man kann jederzeit beim Standesamt, Einwohnermeldeamt oder Amtsgericht (je nach Bundesland) seinen Austritt aus der Kirche erklären. Dazu muss ein Formular ausgefüllt werden. Die Meldebehörden geben die Information über den Kirchenaustritt an die Finanzverwaltung weiter. Der Arbeitgeber erfährt davon automatisch über den Abruf der elektronischen Lohnsteuerkarte.